Prof. Dr. Christoph Straub im Rettung Digital Interview
In Notfällen zählt jede Sekunde – doch gerade in ländlichen Regionen kann es dauern, bis ein Notarzt vor Ort ist. Hier setzt das Telenotarzt-System an: Per Video und Funk unterstützt ein erfahrener Notfallmediziner das Rettungsteam aus der Ferne. Doch kann diese digitale Lösung die Notfallversorgung wirklich effizienter machen? Und wie lässt sie sich sinnvoll in das bestehende Gesundheitssystem integrieren? Im Rettung Digital Interview sprechen wir mit Prof. Dr. Straub – Vorstandsvorsitzender der BARMER – über Chancen, Herausforderungen und die Zukunft des Systems Telenotarzt als Ergänzung im Rettungsdienst.
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Welchen wirtschaftlichen und organisatorischen Mehrwert sehen Sie in einem Telenotarztsystem?
Aus meiner Sicht bringt ein Telenotarztsystem gleich mehrere Vorteile mit sich. Der Telenotarzt kann mehrere Einsatzgebiete gleichzeitig betreuen. Das ist besonders im ländlichen Raum mit langen Wegen ein deutlicher Pluspunkt. Damit kann das Rettungsteam vor Ort entlastet werden. Durch die Triage rücken die Einsatzkräfte vor Ort dann vor allem zu den Fällen aus, bei denen eine medizinische Intervention vor Ort umgehend erforderlich ist. Gleichzeitig bleibt die Versorgung der Patientinnen und Patienten auf einem hohen Niveau! Zudem könnte dieses Modell künftig sogar Ressourcen sparen. Das ist in Zeiten des Fachkräftemangels ebenfalls ein wichtiger Aspekt. Doch derzeit ist der Telenotarzt in einigen Bundesländern erst in Planung oder in der Startphase. Klar ist aber auch, der Telenotarzt wird den traditionellen Notarzt nicht komplett ersetzen können.
Wie bewertet Ihre Krankenkasse die Wirksamkeit und Effizienz des Telenotarzt-Systems im Vergleich zu traditionellen Notarztdiensten?
Durch den Telenotarzteinsatz können medizinische Entscheidungen im Sinne der Risikoabwägung schnell getroffen werden. Dies bedeutet, dass durch den Einsatz des Telenotarztes die optimale Stelle für die weitere klinische Versorgung der Betroffenen gefunden werden kann. Schließlich fallen keine individuellen Anfahrtswege an. Wie bereits erwähnt, können durch den Telenotarzt ganz einfach mehr Rettungsdienstsituationen begleitet werden als durch den traditionell eingesetzten Notarzt. Sein Fachwissen steht dem Rettungsteam vor Ort unverzüglich zur Verfügung. Patientinnen und Patienten werden ressourceneffizienter versorgt. Für die unmittelbare Einsatzsituation vor Ort, beispielsweise bei Unfällen oder Reanimationen, wird es aber weiterhin auch Notärzte geben müssen, die vor Ort zum Einsatz kommen.
Welche konkreten Finanzierungsmodelle werden derzeit für den Einsatz von Telenotärzten in Ihrer Krankenkasse diskutiert oder bereits umgesetzt?
Die Finanzierung erfolgt in mehreren Schritten. Die Anschaffung und der Aufbau des Systems fallen unter die Investitionskosten. Diese müssen von den Bundesländern getragen werden. Sobald aber der Telenotarzt in die Rettungsdienste integriert ist, werden die laufenden Kosten, wie bei traditionellen Rettungsdiensten, durch Benutzungsentgelte oder Gebühren von den Krankenkassen finanziert. Einige Projekte wurden zudem über den Innovationsfonds des gemeinsamen Bundesausschusses gefördert. Die Gelder für diesen Fonds stammen von den Krankenkassen. Durch diese Finanzierung konnte der Start des Telenotarztes erleichtert werden.
Wie sehen Sie die Integration des Telenotarzt-Systems in das bestehende Gesundheits- und Rettungssystem und welche Verbesserungen sind Ihrer Meinung nach notwendig?
Die Integration des Telenotarztes ist eine gezielte und sinnvolle Erweiterung des Rettungswesens. Das gesamte Notfallsystem wird dabei entlastet. Das stellt einen großen und wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung des Rettungswesens dar! Es geht darum, auch künftig eine adäquate Erstversorgung zu gewährleisten. Dafür braucht es jedoch einheitliche Strukturen und die bereits diskutierte Reform des Rettungswesens. Bundeseinheitliche Leitplanken könnten den Einsatz solcher Systeme erleichtern und die Versorgung noch weiter verbessern, und das über landkreis- und länderübergreifende Strukturen hinweg.
Prof. Dr. Christoph Straub
Prof. Dr. Christoph Straub leitet seit 2011 als Vorstandsvorsitzender die BARMER und bringt umfassende Erfahrung aus der Gesundheitsversorgung und Krankenkassenlandschaft mit. Der promovierte Mediziner startete seine Karriere in der Forschung und wechselte früh in führende Positionen im Gesundheitswesen – unter anderem bei der Techniker Krankenkasse und der RHÖN-KLINIKUM AG. Heute verantwortet er bei der BARMER zentrale Bereiche wie Versorgung, Finanzen, Datenschutz und Unternehmenskommunikation. Mit seinem Fachwissen und strategischen Weitblick gestaltet er aktiv die Zukunft des deutschen Gesundheitssystems.